Der Traum vom passiven Einkommen

Ich habe das Gefühl, dass ich per Mail und auch auf Instagram zugespammt werde mit Nachrichten und Werbungen, die mir 1.000 EUR sicheres Einkommen versprechen (pro Tag wohl gemerkt) und das auch noch teilweise als passives Einkommen also ohne, dass ich aktiv dafür arbeiten muss.

„Ich dein SUPERCOACH bringe dir bei wie du Millionen Umsatz machst.“

Mein erster Gedanke war: Urlaub, am Strand unter Palmen in einer Hängematte liegen, ein fruchtiges Getränk in der Hand, dazu ein sanfter Wind im Haar und das Plätschern der Wellen im Ohr. Gut, vielleicht habe ich durch Corona gerade etwas mehr Fernweh als sonst.

Definition & Möglichkeiten

Ich denke, ein passives Einkommen ist erstmal nichts Schlechtes, Böses oder gar Unbiblisches. Gott ist unser Versorger, und in seiner Kreativität sind ihm keine Grenzen gesetzt, um uns Versorgung zukommen zu lassen. Warum also nicht auch in Form eines passiven Einkommens?

Ein passives Einkommen zeichnet sich dadurch aus, dass ich kaum oder teilweise sogar gar keinen Aufwand habe, um dieses Einkommen zu generieren. Das Gegenteil ist vermutlich die Vorstellung von einem knochenharten Job, wo ich vielleicht 14 oder sogar 16 Stunden am Tag hart und damit aktiv für mein Einkommen arbeiten muss.  Es gibt aber keine Definition, ab welchem wöchentlichen Arbeitsaufwand dann tatsächlich von einem passiven Einkommen gesprochen wird.

Und letztendlich spielt auch die Höhe des Einkommens eine Rolle: Wenn ich z.B. 2 Stunden pro Woche für ein Einkommen von 50 EUR arbeiten muss, würde ich das nicht als passives Einkommen bezeichnen. Wenn ich aber 2 Stunden pro Woche arbeite, und dafür 500 oder gar 5.000 EUR an Einkommen erziele, dann ist das schon eher als passives Einkommen zu bezeichnen. Also letztendlich geht es um die Relation von Arbeitsaufwand zum Einkommen.

  • Der Klassiker ist zum Beispiel jemand, der ein so großes Vermögen hat, dass er alleine von den Zinsen und Erträgen leben kann. Er muss nicht aktiv arbeiten, sondern bekommt von der Bank oder bei wem er sein Geld auch immer angelegt hat, die Zinsen überwiesen und finanziert davon sein Leben.
  • Aber auch eine vermietete Immobilie ist ein Stück weit ein passives Einkommen. Hier ist der Aufwand natürlich nicht gleich Null, weil z.B. für Reparaturen, die Mietkostenabrechnung oder Gespräche / Konflikte mit Mietern Zeit aufgebracht werden muss. Aber letztendlich ist der Aufwand schon deutlich niedriger, als wenn ich 8 Stunden pro Tag arbeiten muss, wobei auch das letztendlich davon abhängt, wie viele Wohneinheiten ich vermietet habe.

In Zeiten des Internet gibt es auch noch ganz andere, neue Möglichkeiten, bei denen man eben kein hohes Startkapital benötigt:

  • Affiliate-Marketing: Du platzierst einfach einen Link zu einem Produkt, und wenn jemand das Produkt dann z.B. innerhalb von 30 Tagen kauft, erhältst Du für den Verkauf eine Provision. Je nach Produkt beläuft sich das auf ca. 3% bis zu 30% des Kaufpreises. Solche Links kannst Du beliebig streuen: über eine gut besuchte Homepage, per Mail, in Foren, in Beiträgen auf Facebook oder Instagram, wo auch immer. Das Einkommen hier ist aber eigentlich gar nicht so passiv, weil es schon Arbeit erfordert, die Links immer wieder neu zu platzieren und mit Content zu umgeben, der für andere interessant ist. Denn nur interessanter Content wird auch gelesen, und das ist Voraussetzung, dass überhaupt irgendjemand Deinen Link findet.
  • Eine andere Möglichkeit sind Online-Kurse. Ganz besonders beliebt vor allem die, die wir schon genannt hatten: also mit minimalem Aufwand maximales Einkommen zu erzielen. Wenn Du auch einen Kurs anbieten möchtest, hast Du nur einmal initialen Aufwand am Anfang, um einen Kurs zu entwickeln, z.B. in Textform oder mit Videos. Und dann verkauft sich der Kurs millionenfach, ohne dass Du etwas dafür tun musst. So zumindest die Theorie. Denn auch hier musst Du Dich darum kümmern, dass der Kurs an den richtigen Stellen beworben und vernetzt wird, damit potenzielle Teilnehmer ihn finden. Es gibt nur ganz wenige, die es wirklich geschafft haben und ohne Aufwand gut davon leben können.
  • Du kannst auch ein Unternehmen gründen (oder Du bist vielleicht sogar schon Unternehmer). Dann musst Du Dich in Deinem eigenen Unternehmen als Chef eigentlich nur noch überflüssig machen, und schon wird das Einkommen aus dem Unternehmen auch zum passiven Einkommen. Ich lese dazu gerade ein spannendes Buch: „Die 4 Stunden Woche“ von Timothy Ferriss. Also nicht die 4-Tage-Woche, sondern wirklich die 4 Stunden Woche. Er beschreibt sehr ausführlich, wie er alle Aufgaben, die auch andere erledigen können, an Mitarbeiter delegiert oder komplett outscourct werden, bis hin zum Vereinbaren privater Termine oder dem Kauf von Präsenten für die Freundin.

Ich habe viele Jahre T-Shirts mit christlichen Motiven im Internet verkauft. Auch hier hatte ich nur den einmaligen Aufwand, um die Motive und eine Homepage zu erstellen. Die Abwicklung der Bestellungen war komplett outgesourct: von der Produktion der T-Shirts, über die Annahme der Bestellungen, die Zahlungsabwicklung bis zum Versand. Natürlich hätte ich eine höhere Marge pro T-Shirt haben können, wenn ich alles selbst gemacht hätte: vom Druck, über die Überwachung der Zahlungseingänge bis zur Abgabe bei der Post. Doch durch das Delegieren war das Verhältnis von eingesetzter Zeit zum erzielten Einkommen deutlich besser.

Meine Priorität

Schon damals, als wir bei euch waren, haben wir euch den Grundsatz eingeschärft: Wenn jemand nicht arbeiten will, soll er auch nicht essen.

2. Thessalonicher 3,10

Die spannende Frage ist, was Paulus hier, aber auch die Bibel an anderen Stellen mit Arbeit eigentlich meint. In den Mose-Büchern sagt Gott 6x: sechs Tage die Woche sollt Du arbeiten! Das klingt erstmal nicht nach der Idee, die mir beim Gedanken an ein passives Einkommen kam: also Strand und Palmen.

Daher lautet die entscheidende Frage aus meiner Sicht: Was mache ich mit den Zeitfenstern, die Gott mir durch ein passives Einkommen schenkt? Nutze ich sie ausschließlich für Weltreisen? Für meine eigenen Hobbys und Freizeitaktivitäten? Timothy Ferriss reist zum Beispiel sehr viel, wobei er meist für einige Monate an einem Ort bleibt, um in die Kultur eintauchen zu können und sich im Licht einer anderen Kultur selbst neu zu finden. Er fährt Motorrad, schnelle Autos, war u.a. chinesischer Kickbox-Meister und nahm an einer Tango-Weltmeisterschaft teil. Das liest sich total faszinierend. Aber ich glaube, wenn wir ein passives Einkommen so verwenden, ist das nicht in Gottes Sinn.

Hier sind wir wieder beim grundlegenden Thema der Haushalterschaft. Gott hat uns u.a. Lebenszeit, Fähigkeiten und Finanzen anvertraut, damit wie sie in seinem Sinn einsetzen. Letztendlich ist uns auch unser Leben selbst zu dem einen Zweck gegeben worden, dass wir es für Gott leben. Seine Ziele sind vor allem, dass sein heiliger Name in der Welt verherrlicht wird und dass sein Reich gebaut wird. Darum soll es uns vor allem gehen. An dieser Stelle darf ich endlich auch mal meinen Lieblingsvers zitieren aus Matthäus 6,33:

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch dies alles hinzugefügt werden!

Gottes Reich, das soll die oberste Priorität in meinem Leben haben! Wenn ich mein Leben aber nur um mich selbst und meine eigenen Ziele gestalte, läuft das ziemlich konträr zu dem Auftrag, den Jesus uns gegeben hat. Daher denke ich, ein passives Einkommen ist eine tolle und auch gute Sache! Aber es hängt dann vom Empfänger des Einkommens ab, was er mit den gewonnen Zeitfenstern macht. Und hier auch bitte wieder nicht falsch verstehen: Gott gönnt uns, dass wir das Leben auch genießen dürfen! Auch mit Reisen und mit Hobbys! Aber das soll und darf nicht der Mittelpunkt werden. Die Relation muss einfach stimmen. Sechs Tage sollst Du arbeiten, von mir aus auch alle 6 Wochen eine Woche frei nehmen als Kurzzeit-Sabbatical. Aber bitte nicht umgekehrt: einen Tag die Woche arbeiten und 6 Tage Freizeit! Das ist dann nicht mehr biblisch.

Was ist Arbeit?

Arbeit im biblischen Sinn meint nicht, dass wir zwingend 6 Tage die Woche in ein Büro oder zu einem Arbeitsplatz gehen. Arbeit kann ganz vielfältig sein:

  • Eine Frau, die 6 Tage die Woche (und häufig auch 7 Tage) die Kinder erzieht und sich um den Haushalt kümmert: das ist Arbeit, und das ist harte Arbeit. Auch wenn Sie dafür kein Gehalt in Euro bekommt. Trotzdem ist das eine super wichtige Tätigkeit, Zeit und andere Ressourcen in die nächste Generation zu investieren, auch geistlich.
  • Ich bin mir auch nicht sicher, ob das Konzept des Ruhestandes ab 67 Jahren so biblisch ist. Auch Rentner können Ihre Erfahrungen weitergeben. Sie haben selbst so viele Lebenssituationen und Phasen durchlebt, dass es doch schade wäre, diese Erfahrung nicht weiterzugeben, und stattdessen nur noch den eigenen Interessen nachzugehen. Und so eine Rente: auch das ist übrigens ein passives Einkommen im Rentenalter! Wobei der Zeitaufwand, diese Rente über 40 Jahre zu erwirtschaften, die Relation auch wieder schmälert.
  • Ich denke, Arbeit ist jede Tätigkeit, in der ich meine gottgegebenen Ressourcen nicht nur für mich selbst nutze, sondern sie in etwas investiere, das größer ist als ich es bin. Dabei ist es total egal, ob ich dafür ein Gehalt oder auch ein Dankeschön bekomme – oder eben auch nicht. Das ist vermutlich sogar eine sehr effektive Lüge des Teufels, dass wir den Wert einer Arbeit am Gehalt messen. Denken wir an Erzieher, an Krankenschwestern oder Altenpfleger: miserable Bezahlung für die wichtigsten Jobs, die wir in unserer Gesellschaft haben!

Arbeit im Reich Gottes

Wenn wir über passives Einkommen nachdenken, wäre das natürlich auch eine tolle Sache für alle Menschen, die vollzeitlich im Reich Gottes arbeiten, oder? Sie müssten sich keine Spender mehr suchen, könnten sich voll auf die Arbeit im Reich Gottes konzentrieren…

Das erinnert ich mich wieder an das Zitat aus dem Interview mit Gabriel Skibitzki: Vision is bigger than money! Die Vision ist wichtiger als das Geld! Gott ist unser Versorger! Wenn er uns einen Auftrag und eine Berufung gibt, dann wird er uns auch versorgen! Wenn ich den Großteil meiner Tätigkeit dann dafür aufwenden muss, die Versorgung zu generieren, fürchte ich, dass es an anderer Stelle Baustellen gibt. Wie gesagt: Gerade als vollzeitliche Arbeiter sollen wir uns zuallererst um das Reich Gottes kümmern, und er schenkt die Versorgung. Nicht umgekehrt.

Ich nehme teilweise so eine etwas romantische Stimmung war, wenn Christen von einem passiven Einkommen träumen. Natürlich wollen alle dann mehr im Reich Gottes machen. Aber manchmal habe ich die Befürchtung, die Arbeit im Reich Gottes wird dann so ein bisschen wie Urlaub gesehen, ein lauer Job mit viel Freizeit. Aber das ist eine fatale Fehleinschätzung! Arbeit im und für das Reich Gottes ist die härteste Arbeit überhaupt! Du schlägst Dich nicht nur mit Kollegen oder mit Kunden rum, sondern auch mit den Mächten und Gewalten der Finsternis aus der unsichtbaren Welt. Du hast keine geregelte Arbeitszeit, sondern Gott fordert maximale Flexibilität und maximalen Einsatz von Dir. Jesus ist da sehr direkt. Ich denke zum Beispiel an eine Stelle aus Lukas 14, da sagt Jesus:

Wenn jemand zu mir kommen will, muss er alles andere zurückstellen – Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein eigenes Leben; sonst kann er nicht mein Jünger sein… Angenommen, jemand von euch möchte ein Haus bauen. Setzt er sich da nicht zuerst hin und überschlägt die Kosten? Er muss doch wissen, ob seine Mittel reichen, um das Vorhaben auszuführen… Darum kann auch keiner von euch mein Jünger sein, wenn er sich nicht von allem trennt, was er hat.

Daher rate ich Dir auf jeden Fall: Überlege Dir genau, ob Du für ein passives Einkommen beten möchtest, um dann mehr Zeit für das Reich Gottes zu haben! Überschlage auch für Dich zuerst die Kosten der Nachfolge!

Verwalter Gottes

Ein Stück weit habe auch ich ein passives Einkommen; ich nenne es zwar lieber göttliche Versorgung, aber es stimmt schon. Ich bin schon länger dabei, mich als Chef ein wenig überflüssig zu machen. Dazu gehört, den Mitarbeitern mehr Kompetenz zu geben und Vertrauen zu schenken. Aber natürlich auch Mitarbeiter, die das umsetzen können.

Wenn ich meinen aktuellen Arbeitsaufwand für die Firma in Relation zum Ergebnis setze, bin ich damit super glücklich und einfach voller Dankbarkeit! Denn mit grob 2,5 Tagen das Einkommen für meine Familie zu verdienen plus das Einkommen von 5 Mitarbeitern, das könnte man fast passives Einkommen nennen. Aber wie gesagt: Ich nenne es lieber Gnade Gottes und versuche dann die Zeitfenster zu nutzen, z.B. um an unserem neuen Ratgeber von BibelFinanz zu schreiben oder an einer Podcast-Folge.

Ich habe ein Zitat von George Bernhard Shaw etwas umgeschrieben, weil es letztendlich mein Verständnis von einem Leben als Verwalter Gottes wunderbar ausdrückt: